Für viele ist es sicher eine seltsame Vorstellung, ganz allein auf einer einsamen Vulkaninsel leben zu wollen. Nicht jeder hat die Kraft und den Willen, eine karge, lebensfeindliche Felseninsel in ein kleines Paradies zu verwandeln. Der Einsiedler Sostis Arvanitis hielt es irgendwann im Dorf Akrotiri nicht mehr aus und fuhr mit seinem Fischerboot zur älteren der beiden Vulkaninseln im Zentrum der Caldera von Santorin. Dort fand er die Ruhe und Unabhängigkeit, die er in Akrotiri vermisst hatte. Schließlich gewährte ihm der griechische Staat sogar das Recht, lebenslang auf dieser Insel leben zu dürfen.
Trotz großer Entbehrungen, Einsamkeit und Armut gelang es Sostis, auf dem Vulkan zu überleben. Es ist erstaunlich, was er mit seinen bloßen Händen geschaffen hat! Da ist zunächst der kleine Hafen mit der Kapelle Agios Nikolaos, Wege, die er selbst anlegte, sein schlichtes Häuschen und eine einfache „Taverne“ in der Bucht mit den Thermalquellen. Vom Kratersee aus dem Jahr 1700 führt ein Pfad hinauf zur Hochfläche der Insel. Dort baute er ein weiteres kleines Häuschen, errichtete Zisternen und legte einen Gemüsegarten an. Rund 70 Ziegen streiften über das Eiland und lieferten die Milch für den wohl besten Käse von Santorin.
Gelegentlich brachte er kleine Gruppen mit dem Boot zu den Vulkaninseln und nach Thirasia. In seiner Taverne wurden die Gäste mit kretischem Zwieback, frischen Tomaten, Kapern, Olivenöl, seinem Käse und süßem Likörwein aus Akrotiri verwöhnt – ein kulinarisches Erlebnis, das jede Tour krönte!
Sostis war einer der letzten echten Vertreter des ursprünglichen Santorin. Er wehrte sich gegen die lokalen Kartelle des Massentourismus, die in der Hochsaison alle halbe Stunde die Stille seiner kleinen Bucht störten. Touristen schwammen zu den „heißen Quellen“, obwohl man vom Boot zuerst ins kalte Wasser springen und dann noch etwa 50 Meter durch kühles Meer schwimmen musste. Die Quellen selbst sind lediglich 28–34 °C warm.
Seine eigenen Gäste brachte Sostis lieber mit dem Boot zu einer versteckten Bucht auf Nea Kameni, wo man ganz entspannt und ohne Trubel in wirklich warmen Quellen baden konnte.
Jeder Ausflug mit Sostis war ein unvergessliches Erlebnis, das man in keinem Reisebüro buchen konnte. Denn nicht der Reiseleiter entschied über den Ablauf – sondern Sostis selbst. Und wenn er mal keine Lust hatte, fiel die Tour eben aus. So bewahrte er sich seine Freiheit und wehrte sich gegen die Kommerzialisierung, auch wenn er das Geld der wenigen Gäste dringend brauchte.
Sostis kann stolz auf das sein, was er aufgebaut hat. Er hatte immer ein Herz für uns und unsere kleinen Reisegruppen. Doch sein eigenes Herz ist leider nicht mehr zuverlässig – seine Gesundheit zwang ihn, seine geliebte Vulkaninsel zu verlassen und wieder im Dorf Akrotiri zu leben. Dort lebt er nun unter sehr einfachen Bedingungen und ist auf die Solidarität der Dorfgemeinschaft angewiesen. Das griechische Sozialsystem bietet Menschen wie ihm leider wenig Unterstützung, und Sostis konnte sich nie finanzielle Rücklagen aufbauen. Dabei wäre es nur gerecht, wenn eine so wohlhabende Insel wie Santorin einem Menschen wie ihm helfen würde.
Er hat viel geleistet – und nun gibt es Gerüchte, dass seine Insel verkauft werden soll. Wäre das der Fall, würde auch Palia Kameni seine Ursprünglichkeit verlieren und sich womöglich in eine Art „Disneyland“ wie Nea Kameni verwandeln.
Gemeinsam mit meinem Freund Tom Pfeiffer und unserer früheren Firma VolcanoDiscovery haben wir – dank Sostis – viele unvergessliche Touren in der Caldera und auf „seiner“ Insel erleben dürfen. Wir danken Sostis für die jahrelange Zusammenarbeit und seine herzliche Gastfreundschaft.
Es stimmt uns traurig, dass diese Epoche nun zu Ende geht.
Der Robinson Crusoe von Santorin...
Hier gibt es einen anderen Fotobericht über Sostis Arvanitis (LINK)